Wie es zum „Gendern“ kam

Entwicklung der gendergerechten Sprache

Die Entwicklung der geschlechtergerechten Sprache begann in den siebziger Jahren

Die geschlechter- bzw. gendergerechte Sprache kommt vielen Menschen nicht selbstverständlich über die Lippen und es bedarf einiger Übung. Dabei hat sich die Sprachbildung während der letzten fünfzig Jahren stetig weiter entwickelt. Die zweite Welle des Feminismus brachte verstärkte Aufmerksamkeit auf die Sprache und ihre Rolle bei der Aufrechterhaltung von Geschlechterungleichheiten. Feministische Sprachwissenschaftlerinnen begannen, die geschlechtsneutrale und inklusive Sprache zu fördern. An den Universitäten sprach man nicht mehr von Studenten sondern von Studierenden. Mittlerweile ist dies ein Standardbegriff. In den achtziger Jahren nahm das Bewusstsein für die Problematik der geschlechtsspezifischen Sprache zu. Es wurden vermehrt wissenschaftliche Arbeiten und Diskussionen zu diesem Thema veröffentlicht. Institutionen und Organisationen begannen, erste Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache zu entwickeln. In den neunziger Jahren wurden erste offizielle Richtlinien und Empfehlungen für gendergerechte Sprache von öffentlichen Institutionen und Universitäten herausgegeben. Die Diskussion erreichte eine breitere Öffentlichkeit und fand verstärkt Eingang in die Medien.

Besondere Schreibweisen kennzeichneten die Geschlechterrolle ab der Jahrtausendwende

Ab dieser Zeit begannen viele Behörden, Bildungseinrichtungen und Unternehmen, gendergerechte Sprache systematisch in ihren Dokumenten und Veröffentlichungen zu verwenden. Kreative Lösungen wie das Binnen-I („StudentInnen“) und die Doppelnennung („Studenten und Studentinnen“) wurden populär. Ab 2010 kamen neue Schreibweisen wie der Gender-Stern („Student*innen“) und der Gender-Gap („Student_innen“) dazu und etablierten sich zunehmend. Einige Länder und Städte führten gesetzliche Regelungen ein, um die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in offiziellen Dokumenten zu fördern. Ab dem Jahr 2020 findet die gendergerechte Sprache immer breitere Akzeptanz in der Gesellschaft und wird zunehmend auch in Medien, Literatur und Wissenschaft angewendet.

Weibliche Persönlichkeiten als Treiber der Bewegung

Die Entwicklung der gendergerechten Sprache wurde von vielen Persönlichkeiten vorangetrieben, die aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft stammen, darunter Linguistik, Feminismus, Politik und Literatur. Aus dem Bereich Linguistik und Wissenschaft sind Luise Pusch und Senta Trömel-Plötz zu nennen. Luise Pusch ist eine der bekanntesten deutschen Linguistinnen und Feministinnen, die sich intensiv mit geschlechtergerechter Sprache beschäftigt hat. Sie hat zahlreiche Bücher und Artikel zu diesem Thema veröffentlicht und gilt als eine der Pionierinnen auf diesem Gebiet. Senta Trömel-Plötz ist eine weitere bedeutende Linguistin, die wichtige Beiträge zur feministischen Sprachwissenschaft geleistet hat. Ihre Arbeiten haben die Diskussion um die Sprache und Geschlecht wesentlich geprägt. Deborah Cameron ist eine britische Linguistin, die sich mit Sprache und Geschlecht auseinandersetzt. Ihre Werke haben international Einfluss auf die Debatte über geschlechtergerechte Sprache genommen.
Im Bereich Feminismus und Aktivismus darf der Name Alice Schwarzer nicht fehlen. Sie war eine der führenden Figuren der deutschen Frauenbewegung und hat ebenfalls zur Diskussion um geschlechtergerechte Sprache beigetragen, insbesondere durch ihre Arbeit als Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“. Renate Schmidt, die ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich politisch für geschlechtergerechte Sprache eingesetzt, ebenso wie Claudia Roth, die sich in ihrer politischen Arbeit für Gleichstellung und eine geschlechtergerechte Sprache stark macht. Maren Kroymann, eine deutsche Schauspielerin und Kabarettistin hat sich in ihren Programmen und Fernsehauftritten immer wieder kritisch mit geschlechtergerechter Sprache auseinandergesetzt und dadurch zur Popularisierung des Themas beigetragen.

Zunehmende Politisierung der Genderdiskussion

Im Landtagswahlkampf 2023 kochte die Diskussion um die geschlechtergerechte Sprache hoch. Besonders Spitzenvertreter der CSU und der Freien Wähler (FW) arbeiteten sich am Gendersternchen ab und vermuteten einen drohenden Gender-Zwang. FW-Vorsitzender Aiwanger präsentierte sich monatelang als Kämpfer gegen „links-grünen Gender-Gaga“. In den sozialen Medien schrieb von einer „normalen Welt“, in der man ohne Gendern spricht. Wenige Monate zuvor stand in parteiinternen Schreiben der oben genannten Parteien an ihre Mitglieder sehr wohl eine geschlechterspezifische Sprache. Als Erkenntnis aus der öffentlichen Debatte lässt sich ableiten: weder ein Genderzwang noch ein Genderverbot sollten im Raum stehen. Die Sprache wird alleine ihren Weg finden, so wie es seit gut fünfzig Jahren getan hat.

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